Widerstandskraft stärken in einer neuen Arbeitswelt

Warum unser Gehirn heute überfordert ist – und wie wir wieder zu mehr Balance finden.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Sie ist schneller, digitaler, flexibler – und auch fordernder geworden. Mit Smartphones, Videokonferenzen, Cloud-Tools und ständigem Informationsfluss hat sich unser Alltag massiv beschleunigt. Das bietet viele Chancen. Doch es bringt auch eine zentrale Herausforderung mit sich: Unser Gehirn, das uns so zuverlässig durch das Leben steuert, ist für diese Art von Dauerbelastung nicht gemacht.

Unser Gehirn lebt in der Steinzeit – unsere Arbeit nicht

Der Mensch existiert seit etwa 200.000 Jahren. Das entspricht ungefähr 10.000 Generationen. Über 9.990 davon haben ohne Elektrizität, ohne Autos und ohne Internet gelebt. Die ersten Smartphones gibt es gerade einmal seit einer Generation. Diese technologische Entwicklung hat unser Leben enorm verändert – aber unser Gehirn ist biologisch noch dasselbe wie zu Zeiten der Jäger und Sammler.

Damals bedeutete Stress: Lebensgefahr. Die Stressreaktion – Herzrasen, Fokus, Muskelanspannung – war darauf ausgelegt, zu fliehen oder zu kämpfen. Heute reagieren wir ähnlich, aber auf ganz andere Auslöser: eine bevorstehende Präsentation, eine knappe Deadline, eine E-Mail von der Geschäftsführung oder ein Anruf aus dem Kindergarten. Das Problem: Diese Situationen passieren nicht einmal am Tag, sondern dutzendfach – und sie hören oft nicht nach Feierabend auf.

Dauerstress ist keine Heldentat, sondern ein Warnsignal

Unser Körper aktiviert in stressigen Momenten alle Reserven – das ist kurzfristig hilfreich, aber langfristig schädlich. Wer ständig auf „Alarmmodus“ läuft, riskiert Erschöpfung, Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen und in vielen Fällen: Burnout. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), wo viele Mitarbeitende mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen und wenig Redundanz vorhanden ist, ist das Risiko besonders hoch.

Die gute Nachricht: Wir können unsere Widerstandskraft gezielt stärken. Und das beginnt mit einem besseren Verständnis für uns selbst – und mit alltagstauglichen Strategien.

Was wir konkret tun können – und wie es im Alltag aussieht

Für Führungskräfte: Souveränität durch Struktur und Selbstführung

Führungskräfte stehen oft unter Dauerstrom: Sie müssen Entscheidungen treffen, Teams motivieren, Konflikte lösen und gleichzeitig ihre eigenen Aufgaben erledigen. Gerade in KMU, wo Hierarchien flacher und Aufgaben breiter verteilt sind, ist das eine große Belastung.

Tipps für mehr Widerstandskraft:

  • Fokuszeiten schaffen: Blockieren Sie sich jeden Tag mindestens eine Stunde, in der Sie nicht erreichbar sind – keine Meetings, keine Mails. Diese Zeit ist reserviert für strategisches Denken oder komplexe Aufgaben.
  • Teamrituale etablieren: Starten Sie den Montag mit einem klaren Wochenfokus im Team und schließen Sie die Woche mit einer Reflexionsrunde. Das gibt Orientierung – und entlastet.
  • Eat-that-Frog-Prinzip nutzen: Die wichtigste (und unangenehmste) Aufgabe gleich morgens erledigen. Das schafft mentale Freiheit für den Rest des Tages.
  • Grenzen vorleben: Wer selbst Mails um 22 Uhr schreibt, signalisiert: „Erreichbarkeit rund um die Uhr ist normal.“ Besser: Digitale Pausen setzen und transparent kommunizieren.

Für Sachbearbeiter: Klarheit im Aufgabenmeer schaffen

In der Sachbearbeitung ist Multitasking Alltag – doch genau das überfordert unser Gehirn. Der ständige Wechsel zwischen E-Mails, Telefonaten, Dokumenten und Excel-Tabellen kostet Energie und Konzentration.

So gelingt der Alltag gelassener:

  • Single-Tasking trainieren: Statt fünf Aufgaben gleichzeitig anzufangen, lieber eine nach der anderen bewusst abschließen. Das senkt den Stress – und erhöht die Qualität.
  • Arbeitsblöcke im Kalender planen: Plane feste Zeiten für E-Mail-Bearbeitung, Kundentelefonate oder Projektarbeit. Auch Pausen gehören dazu – fest im Kalender.
  • Pausen als Energiequelle sehen: Ein kurzer Spaziergang, fünf Minuten frische Luft oder einfache Dehnübungen am Schreibtisch helfen, den Kopf freizukriegen und die Augen zu entlasten.
  • Mit Prioritäten arbeiten: Was ist heute wirklich wichtig? Eine Liste mit den „Top 3“-Aufgaben des Tages gibt Fokus – und ein gutes Gefühl am Abend.

Für Sekretärinnen und Assistenzen: Grenzen setzen und Selbstfürsorge leben

Assistenzen sind oft die zentrale Schnittstelle zwischen Geschäftsführung, Team und externen Kontakten. Sie koordinieren, organisieren und sind meist die ersten Ansprechpartner für alles. Diese Rolle bringt viel Verantwortung mit sich – aber auch die Gefahr, sich selbst zu vergessen.

Wie Widerstandskraft hier gelingen kann:

  • Nein sagen dürfen: Nicht jede spontane Bitte muss sofort erfüllt werden. Ein freundliches „Ich schaue es mir später an“ schützt vor Überlastung.
  • Pufferzeiten einplanen: Zwischen Besprechungen auch Zeit für Vor- und Nachbereitung einplanen – sonst staut sich Arbeit im Hintergrund.
  • Technologie gezielt nutzen: Workflows, Textbausteine oder Aufgaben-Tools sparen Energie und reduzieren mentale Last.
  • Feierabend gestalten: Einen bewussten Übergang vom Arbeits- in den Privatmodus schaffen – z. B. durch eine kleine Abschlussroutine oder ein Ritual auf dem Heimweg.

Fazit: Resilienz ist lernbar – und heute wichtiger denn je

Widerstandskraft entsteht nicht aus Stärke, sondern aus Selbstfürsorge. In einer Welt, die sich rasant verändert, brauchen wir Strategien, die uns erden und schützen. Kleine, konsequente Gewohnheiten helfen dabei: Pausen, Fokuszeiten, Bewegung, Priorisierung und digitale Grenzen.

Ob als Führungskraft, Sachbearbeiter oder Sekretärin – wer sich selbst nicht aus den Augen verliert, kann auch in turbulenten Zeiten klar, präsent und handlungsfähig bleiben.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert